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Unsere Plattnase Zorika wird von allen “Nixnutze” genannt, was aber keinesfalls böse gemeint ist. Dass sie so eine platte Nase hat, war nicht beabsichtigt.
Es war einfach eine nicht gut genug durchdachte Verpaarung zweier Tiere, die kurze Nasen offenbar sehr stak vererbten. Nixnützelchen ist eine Persönlichkeit für sich. Sie und ihre drei Geschwister verloren ihre Mutter, als
sie gerade vier Tage alt waren. Nun stand ich vor der Aufgabe, ihnen die leibliche Mutter nach bestem Wissen und Gewissen zu ersetzen. Dies war eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für mich. Tag und Nacht fütterte ich
im Zwei-Stunden-Takt meine vier Schützlinge, massierte und rieb ihre Bäuchlein, reinigte die Popos und befüllte die Wärmflasche in ihrem Bettchen mit neuem, warmen Wasser, damit sie nicht frieren. Leider verstarb eines der
Babys nach wenigen Tagen. Auch der Tierarzt konnte nicht helfen. So blieben mir nur drei der Katzenkinder übrig, zwei Mädels und ein Katerchen. Nur wer selber einmal, ohne Unterstützung einer Katzenamme, Katzenwelpen von Hand
aufgezogen hat, kann nachvollziehen, wie anstrengend und nervenaufreibend dies ist. Ich fühlte mich nach einer Weile, wie eine lebende Leiche, war völlig übernächtigt und kraftlos und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Zwei
der drei Babys wuchsen reibungslos und ohne nennenswerte Komplikationen heran. Sie waren stets schnell versorgt und konnten wieder in ihr Bettchen zurück gelegt werden. Nur das eine kleine Mädel machte mir ständig Kummer. Sie hatte
mal Durchfall, mal Verstopfung, wollte mal nicht trinken, verschluckte sich heftig oder war teilweise so matt und schlapp, dass ich schon dachte, ich würde sie verlieren. Die beiden anderen Kätzchen konnten längst schon
selbständig fressen und aufs Klöchen gehen, als mein Sorgenkind noch immer nach der Milchflasche verlangte. Immer wieder versuchte ich, sie mit allen nur erdenklichen Leckereien zum Aufnehmen fester Nahrung zu bewegen. Obwohl ihr
Gesamtzustand mittlerweile stabil war, wollte sie einfach nicht essen. Das Erste, was ich in sie hinein bekam, war ein Stückchen Käse von meinem Butterbrot. Nie werde ich vergessen, wie erleichtert ich war, als sie das Käsestück
mit Appetit verzehrte. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits 12 Wochen alt. Bald schon bemerkte ich, dass “Nixnutzelchen”, wie ich sie mittlerweile liebevoll nannte, nur das essen wollte, was ihre “Mutter”, also ich, aß. Um nicht
das Risiko einer fatalen Mangelernährung einzugehen, führte ich schließlich mehrmals täglich ein kleines Schauspiel auf, indem ich mit den Fingern im Katzen-Dosenfutter herummatschte und so tat, als wenn ich es mit Genuss
verspeisen würde. Zum Glück fiel Nixnutze auch darauf herein und fraß tatsächlich - man höre und staune - Katzenfutter. Da sie sich aber strikt weigerte, aus einer Schüssel zu trinken und reines Wasser ihr ein Greuel war, bekam
sie noch viele Wochen lang mehrmals am Tag ihr Fläschchen. Langsam aber sicher veränderte ich das Gemisch aus Milchpulver und Fencheltee dahingehend, dass der Milchanteil immer geringer und der Fencheltee immer dünner wurde. Am
Ende trank sie nur noch leichten Fencheltee mit etwas Traubenzucker darin. Nixnutze aß mittlerweile selber vom Tellerchen, jedoch nicht, wenn dieses am Boden stand. Ich musste ihr Futter auf den Tisch stellen und sie davor
setzen. Dann fraß sie. Zwischendurch kam sie immer wieder zu mir und verlangte lauthals nach der Teeflasche oder forderte mich auf, sie ins Katzenklo zu setzen. Wenn ich nach Hause kam, saß sie schon hinter der Tür und wartete,
ungeduldig mit den Pfoten stampfend, darauf, dass ich sie zur Toilette trug, ihr Tee einflößte oder ihr das Futter auf dem Tellerchen auf dem Tisch servierte. Es war anstrengend!
Wer sich jetzt fragt, warum ich dieses Spektakel so lange mitgemacht habe, dem sei gesagt: “Urteile nicht über Dinge, die Du nicht selber erlebt hast!” Lange Rede, kurzer Sinn: Eines Tages, Nixnutze war inzwischen etwa 18
Wochen alt und ihre Geschwisterchen längst umgezogen, ertappte ich sie dabei, wie sie ganz selbstverständlich vor dem Futterspender hockte und Trockenfutter fraß. Ich traute meinen Augen kaum. Als sie bemerkte, dass ich hinter ihr
stand, hörte sie aber blitzartig auf zu fressen und begann sofort, ihre gewohnte “Mama-Ich-habe-Hunger”-Nummer abzuziehen. Das war der Punkt, an dem Nixnutzes Leben eine Wende nahm. Ich stellte ihr Tellerchen fortan auf den Boden
und ignorierte alle ihre Versuche, mich erneut “um die Kralle zu wickeln”. Auch ihr Tee, der mittlerweile fast nur noch aus Wasser bestand, landete in einer Schüssel am Boden. Nachdem meine kleine “Terrorkatze” mir einige Tage
lang die Nerven zermürbt hatte, fand sie sich schließlich damit ab, dass es definitiv kein Tellerchen auf dem Tisch und keine Babyflasche mehr gab. Ich gebe ehrlich zu, dass Nixnutze auch heute noch, nach wie vor, neben mir auf
dem Stuhl sitzt, wenn ich esse und auch jedes Mal etwas abbekommt. Wie damals zupft sie erst ganz dezent an meinem Ärmel oder berührt mich sanft mit ihrer Tatze, damit ich ihr etwas gebe. Geschieht das nicht, wird sie etwas
energischer. Nixnutze hat einen außerordentlich robusten Magen und verträgt einfach alles. Von Sauerkraut bis Sahnetorte hat sie alles schon einmal gegessen... nur ein wenig, versteht sich... ein Häppchen, damit sie Ruhe gibt...
Da Nixnutze sich selber nicht pflegt (Das Lecken und Putzen des eigenen Fells hat sie garnicht erst angefangen.) und sich aufgrund ihrer platten Schnauze immer ordentlich bekleckert und besabbert, trägt sie stets einen modischen
Kurzhaarschnitt. So ist es leichter und angenehmer für uns beide. Nixnutze hat nie mit anderen Katzen gespielt, im Gegensatz zu ihren Geschwistern. Sie ist Katzen gegenüber verträglich, aber eigentlich eher gleichgültig. Sie
sucht viel mehr die Gesellschaft von Menschen. Manchmal denke ich, dass sie sich selber für einen kleinen Menschen hält. Mit Sicherheit hat hier eine drastische Fehlprägung stattgefunden, für die ich mir aber selber keinerlei
Schuld zuspreche, denn ich habe getan, was ich konnte, um die kleine Nixnutze irgendwie durchzubringen. Sie ist selbstverständlich bei mir geblieben. Solch ein Tier kann man nicht abgeben. Es würde einem das Herz zerreißen. Ich
liebe meine Nixnutze, und die meisten Menschen, die uns besuchen, mögen sie auch, denn sie ist so ziemlich die anhänglichte Katze, die man sich vorstellen kann. Sobald sich jemand bei uns hinsetzt, hat er/sie Nixnutze auf dem Schoß
sitzen und wird sie nur schwerlich wieder los. Manchmal ist sie schon regelrecht lästig, aber man muss sie einfach gern haben.
Nixnutze ist so etwas wie unser Maskottchen geworden. Sicherlich ist ihr Äußeres nicht
gerade repräsentativ für eine Cattery, die sich “Perser mit Nase” auf die Fahne geschrieben hat, denn Ihre Nase ist so kurz, dass man sie im Profil garnicht sieht. Auch tränen ihre Augen fürchterlich, und die Zunge hängt meistens
aus dem Mund heraus. Nach dem Essen ist sie beschmiert, und nach dem Trinken nass... Man muss ihr regelmäßig das Gesicht abwaschen... Aber sie ist lieb... sehr, sehr lieb.
Und wenn man sie einmal kennt, dann ist sie sogar
irgendwie schön. Nämlich dann, wenn man sie mit dem Herzen anschaut und nicht mit den Augen. |
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