Wahre Worte sind nicht schön,
schöne Worte sind nicht wahr...
Laotse

Wie alles begann
How it began

Heute bin ich eine erfahrene Katzenzüchterin.
 

Sicherlich weiß ich längst noch nicht alles, aber ich beabsichtige nicht, mit dem Dazulernen aufzuhören.

In den nunmehr gut 25 Jahren, in denen ich das eigentlich sehr schöne Hobby Katzenzucht ausübe, habe eine Menge Erfahrungen sammeln können, viele gute, aber leider auch viele schlechte. Ich habe viel gelernt über Katzen und Katzenmenschen, über den Umgang mit ihnen und ihren Umgang mit mir.

Fehler sind mir oft unterlaufen, und für manche kostbare Weisheit habe ich “teures Lehrgeld” zahlen müssen. Aber aus Fehlern lernt man, und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Ich möchte mich hier, zusammen mit dem geneigten Leser, auf eine kleine Zeitreise begeben, zurück zu dem Tag, als ich loszog, um mir meine allererste Perserkatze zu kaufen.

Die Perserkatze, jenes vollendete Geschöpf, hat mich immer schon fasziniert. Als Kind habe ich Postkarten mit Tiermotiven gesammelt. Zu meinen kleinen Schätzen gehörten bunte Bilder von Hunden und Pferden aller Rassen und Perserkatzen. Diese Katzenbilder zogen mich in ihren Bann. Ich bestaunte immer wieder diese edlen Tiere, ihre stolze, majestätische Erscheinung, das üppige, wunderschöne Fell und diese herrliche Farbenvielfalt. Andere Rasse- oder auch Hauskatzen fand ich auch hübsch, aber Perserkatzen waren für mich der Fleisch gewordene Inbegriff für Schönheit und Ästhetik.

Nie vergessen werde ich den Tag, an dem mir zum ersten Mal solch ein Prachtexemplar in Natura begegnete, nämlich als ich beim Spielen irgendwo am Rande unserer kleinen Stadt einen schneeweißen Perserkater fand. Er war schmutzig und mager, und das Fell war voller Kletten und Laub, aber sein Anblick faszinierte mich. Wie einen kostbaren Schatz hob ich ihn auf meine Arme und trug ihn erst einmal in Richtung unseres Hauses. Unterwegs fiel mir dann aber  ein, dass er doch sicherlich jemandem gehören müsse. Solch ein edles Tier konnte doch nicht herrenlos sein. Also lief ich von Haus zu Haus, klingelte und fragte, ob jemand den Besitzer des Katers kenne. Und tatsächlich... eine ältere Dame kannte das Tier und wusste sogar seinen Namen. “Napoleon” hieß der Schöne und gehörte einer ebenfalls betagteren Dame nicht weit entfernt. Da diese ihn bereits seit Tagen vermisste, weinte sie vor Glück, als ich ihn ihr zurückbrachte. Sie erklärte mir, dass Handwerker im Haus gewesen seien und er, erschrocken über den Lärm, heimlich davon gelaufen sei. All ihr Rufen und Locken hatte nicht zum Erfolg geführt, aber nun war er wieder da, und die Dame überglücklich. Als Dankeschön bekam ich ein Fünfmarkstück in die Hand gedrückt... damals für mich ein kleines Vermögen.

Ich begann, mir Gedanken darüber zu machen, wieviel solch ein edles Tier wohl kosten möge. Sicherlich müsse man steinreich sein, um solch ein Tier erwerben zu können, dachte ich. Aber ich beschloss frohen Mutes, später einmal, nämlich dann, wenn ich “groß” bin, fleißig zu sparen, um mir eine echte, reinrassige Perserkatze kaufen zu können. Diesen Wunsch habe ich nie aus den Augen verloren.

Als ich nach meiner erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung eine Arbeitsstelle suchte, verschlug es mich nach Aachen. Ich hatte eine kleine Wohnung mitten in der Stadt und war kreuzunglücklich. Nach der Arbeit kehrte ich heim in meine Wohnung, wo niemand auf mich wartete. Das war ich nicht gewöhnt. Bei meinen einsamen Ausflügen quer durch die fremde, große Stadt mit all dem Lärm und den unzähligen Menschen, von denen ich keinen kannte, verirrte ich mich regelmäßig und war völlig erschöpft und niedergeschlagen, wenn ich wieder nach Hause kam. Die Leere und Einsamkeit in meinen vier Wänden tat noch das ihrige dazu, und so beschloss ich, etwas Leben in meine Wohnung zu holen, ein Geschöpf, welches mir Gesellschaft leistet, für das ich sorgen kann und welches auf mich wartet und sich freut, wenn ich nach Hause komme. Was war da geeigneter als eine Katze? Mein Entschluss war gefasst: Eine Katze musste her... aber nicht irgendeine... nein, eine Perserkatze sollte es sein. Mein Kindheitstraum sollte jetzt wahr werden. Also machte ich mich auf die Suche.

Als erstes stürmte ich nach Feierabend ein Tiergeschäft in der Innenstadt. Dort erwarb ich ein Katzenklo, Katzenstreu, Näpfe, Futter, eine Haarbürste für Langhaarkatzen, einen kleinen Kratzbaum, einen Transportkorb mit Gittertür, ein Katzenbuch und diverses Spielzeug. Ich mußte zweimal den weiten Weg nach Hause laufen, da ich alles auf einmal gar nicht tragen konnte. Wie ich das geschafft habe, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Aber ich war jung, gesund und sportlich, und ich hatte ein Ziel vor Augen: Meine erste eigene Perserkatze.

Am Wochenende durchstöberte ich die lokalen Anzeigenblätter. Und siehe da! - Jemand inserierte Perserbabies mit Stammbaum, und ein weiterer Inserent bot junge Perserkatzen zum Kauf an. Sogleich rannte ich mit der Zeitung in der Hand zur nahe gelegenen Telefonzelle. Die Perserbabies waren viel zu teuer, als dass ich jetzt und gleich eines hätte kaufen können. Aber ich hatte Glück bei der zweiten Nummer: Es waren noch zwei 6 Monate alte Katzen zu verkaufen, ein Geschwisterpaar. Der Preis, den die “Züchter“ verlangten, belief sich zwar für meine Verhältnisse auch auf eine stattliche Summe, aber ich konnte das Geld gerade noch aufbringen.

So machte ich mich auf den Weg dort hin. Es war ein abenteuerlicher Trip durch die immer noch fremde und immer noch viel zu große Stadt. Den größten Teil des Weges legte ich mit dem Bus zurück, dann hieß es laufen. Mit dem Stadtplan in der einen und dem Katzenkorb in der anderen Hand eilte ich durch die Strassen und fand schließlich das Haus in einem Neubaugebiet am hintersten Ende von Aachen-Brand.
Dort angekommen war ich regelrecht kirre vor lauter Aufregung und Vorfreude.
Man zeigte mir zwei wunderschöne Katzen, eine blaue und eine blaucreme-farbene. Letztere hatte es mir angetan. Solch eine Farbzeichnung hatte ich noch nie gesehen, nicht einmal auf meinen heißgeliebten Katzenpostkarten. Ich war fasziniert von dem herrlichen Tier, wollte auf sie zu gehen und sie streicheln, aber sie lief vor mir davon. Wieder und wieder wurde die Katze herbeigeschleppt und mir in die Arme gedrückt. Aber mit jedem Mal verschlechterte sich ihre Laune, so dass sie postwendend wieder herab sprang und wie ein geölter Blitz davon sauste.
Ihr einfarbig blauer “Bruder” hingegen wich nicht von meiner Seite. Mehrmals streichelte ich ihn, hob ihn auf den Arm und beteuerte, dass er ein ganz Schöner sei, aber ich lieber seine Schwester haben wolle. Er sah das aber anders und seine Schwester ebenfalls. Also beschloss ich kurzerhand, den blauen Kater zu kaufen.

Mein Katzenbuch war in den letzten Tagen meine Bettlektüre gewesen, und so meinte ich zu wissen, worauf es beim Katzenkauf ankommt. So leierte ich dann auch sogleich meinen Fragenkatalog herunter: “Wo ist der Stammbaum? Wogegen wurde das Tier geimpft? Haben Sie die Katzen regelmäßig entwurmt? Was frisst das Tier? Gibt es Besonderheiten, auf die ich achten muss? ...” Die Antwort war ernüchternd. Mein Katerchen war nicht entwurmt worden, hatte noch nie einen Tierarzt gesehen und war dem zufolge nicht geimpft, besaß keinen Stammbaum und fraß das billigste Trockenfutter aus dem Supermarkt. Einen Kratzbaum gab es in diesem Haushalt nicht, aber dafür ein ziemlich übel zerrupftes Sofa und kunstvoll perforierte Tapeten. Als ich wissen wollte, warum denn die Tiere keine Stammbäume hätten, erhielt ich eine Antwort, die mich staunen ließ. Und zwar erzählte man mir, dass es überhaupt kein Problem sei, für diese Katzen Papiere zu bekommen. Aber Stammbäume seien nun mal leider irrsinnig teuer. Da die meisten ganz normalen Katzenfreunde aber nicht so viel Geld hätten, habe man die Stammbäume erst gar nicht erstellen lassen. Ihnen käme es primär darauf an, sich die Katzenkäufer aussuchen zu können, um sicher zu sein, dass ihre Lieblinge es auch wirklich gut hätten, sagten sie. Ihre Katzen seien schließlich wie Kinder, und die eigenen Kinder gäbe man nicht einfach irgendwem. Deshalb, so sagte man mir, würden hier die Katzen etwas billiger verkauft... halt ohne Papiere, aber dafür nur in allerbeste Hände. Wenn ich jedoch einen Stammbaum haben wolle, hieß es, dann müsse ich den doppelten Preis bezahlen. Selbstverständlich würde mir dann der dazugehörige Ahnenpass nachträglich ausgehändigt.
Angesichts dieser Aussage verstummte ich. Den doppelten Kaufpreis konnte ich nicht zahlen, und irgendwie hatte ich nun auch Angst, man würde mir das Tier evtl. gar nicht geben. Schließlich war ich alleinstehend und berufstätig und hatte nur eine Etagenwohnung. So machte ich mich auf ein ausführliches Verhör gefasst und betete insgeheim, ich würde den hohen Ansprüchen dieser besorgten Züchter genügen und das Tier mitnehmen dürfen.

Das Verhör fand nicht statt. Nachdem ich keine Fragen mehr stellte, wurde der Kater gepackt, in meinen Korb gesteckt und die Zahlung der gewünschten Summe gefordert. Mit zitternden Händen kramte ich das Geld hervor und übergab es dem Herrn hastig. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Eiligst verließ ich mit meinem Kater im Korb das Haus. Man hatte mich weder nach meinem Namen gefragt, noch nach meiner Adresse, geschweige denn nach den Wohn- und Lebensbedingungen. Es gab keine nützlichen Tipps vom Züchter, wie im Katzenbuch beschrieben und kein Wort des Abschieds für den Kater, der noch nicht einmal einen Namen hatte.
Aber all das ist mir erst viel später aufgefallen.

Mein edler Perserkater erhielt den Namen “Etiénne”.
Er versteckte sich bei mir erst einmal einige Stunden hinter dem Bett, kam aber am späteren Abend hervor und war von da ab immer genau dort, wo ich war. Etiénne folgte mir überall hin, saß andächtig wartend auf dem Toilettendeckel, wenn ich abends duschte und begrüßte mich jedes Mal laut schnurrend und köpfchengebend, wenn ich zur Türe herein kam... auch dann, wenn ich nur kurz den Müll wegbrachte.
Fremde scheute Etiénne. Er wurde schlichtweg unsichtbar, sobald jemand meine Wohnung betrat. Auch zerfaserte er mit Hingabe mein schmuckes Polsterbett und ignorierte geflissentlich den Kratzbaum. Immerhin lernte er nach einer Weile, das Katzenklo zu benutzen und sein Geschäft nicht, wie anfangs, in der Dusche zu verrichten. Auch warf er hier und da mal etwas herunter, zerstörte meine Zimmerpflanzen und stahl Essen von meinem Teller. Aber ich dachte mir: “So sind Katzen eben... Die haben ihren eigenen Kopf.”

Etiénne wirkte gesund und munter, war aber nicht geimpft, und er hatte für einen Perser relativ kurze Haare. Also suchte ich nach ca. zwei Wochen den nächstgelegenen Tierarzt auf.

Der Tierarzt betrachtete meinen Kater und fragte mich als erstes, was das denn für eine hübsche Mischung sei. Ich war etwas erbost und klärte ihn darüber auf, dass es sich um einen reinrassigen Perserkater handele. Der Tierarzt lachte laut auf. “Fräulein...” sagte er schmunzelnd... “Wenn diese Katzendame eines nicht ist... dabei betonte er das Wort Katzendame...., dann ist es eine Perserkatze.”

Ich war vorübergehend sprachlos. Aber ich fing mich schnell wieder und fragte etwas dümmlich “Wie???”
Der Tierarzt klärte mich sodann darüber auf, welche Rassemerkmale eine Perserkatze aufweisen müsse und fragte mich, wo ich das Tier denn gekauft hätte. Ich nannte ihm Namen und Adresse der “Züchter”, und der Tierarzt schüttelte den Kopf. Er gab an, diese Leute zu kennen, da schon mehrere Katzen aus diesem Hause bei ihm in der Praxis gelandet seien. Er äußerte den Verdacht, dass es sich bei diesen Leuten um Tierhändler handele, die die Katzen wahrscheinlich irgendwo aus Belgien holen und hier mit Gewinn verkaufen würden. Er klärte mich darüber auf, dass man in Belgien auf jedem größeren Wochenmarkt Katzen kaufen könne, große und kleine, auch teils Rassekatzen und alle möglichen Mischlinge. Diese Tiere stammten aus irgendwelchen Ställen, in denen sie lieblos gehalten und auf Teufel komm raus vermehrt würden. Parasiten, Krankheiten und Seuchen seien an der Tagesordnung. Das war mir bis dahin nicht bekannt. Weiter eröffnete mir der Doktor, dass es sich bei meiner Katze mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Kartäuser-Mischung handele. Außerdem sei mein Kater Etiénne eine Kätzin, sagte er. Ich war erschüttert.
“Diese Leute verkaufen regelmäßig Katzen, und immer sind es andere... Perser, Kartäuser, Norweger... alles was Sie wollen. Meistens sind es Mischlinge, die für den Laien auf den ersten Blick wie Rassekatzen aussehen.” Dann fragte er: “Haben Sie die Mutterkatze gesehen?” “Nein...” erwiderte ich zögerlich. Und in der Tat... Mir war bislang gar nicht aufgefallen, dass die beiden Jungtiere anscheinend die einzigen Katzen dort im Haus gewesen waren. Ich hatte keine weiteren Katzen gesehen.
“Jeder richtige Züchter wird Ihnen die Eltern, oder zumindest die Mutter der Kätzchen zeigen, die er verkauft.” sagte der Doktor, und ich nickte stumm. “Aber... “ fuhr er fort “... es gibt da auch einige ganz raffinierte unter diesen Pappenheimern, die haben zuhause ein paar mehr oder weniger reinrassige Katzen herumlaufen und präsentieren den Leuten diese als Elterntiere.” Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Der Tierarzt, übrigens ein sehr, sehr lieber, älterer Herr erzählte mir dann noch eine ganze Menge unglaublicher Geschichten rund um mehr oder weniger seriöse Züchter, Tierhändler und arglose Menschen, die darauf hereingefallen waren. Das Thema schien ihn sehr zu beschäftigen, und er machte kein Geheimnis daraus, wie zornig er darüber war.
Am Ende schloss er mit den Worten: “Tja, Fräuchen... da sind Sie ja ganz schön beschissen worden... Aber Sie haben ja noch Glück gehabt... Ihre Katze ist ja offensichtlich wenigstens gesund.”

Als ich meine frisch geimpfte und entwurmte Katzendame Etiénne nach Hause trug, schwirrte mir der Kopf von all dem, was ich soeben gehört hatte. Ich liebte meine Katze, aber das Gefühl, betrogen worden zu sein, nagte an mir. “Wie konnte ich so blöd sein?” fragte ich mich. Schließlich hatte ich doch das Katzenbuch gelesen und mir geschworen, auf alles zu achten, was in dem praktischen Ratgeber zum Thema Katzenkauf geschrieben stand.

Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: erstens durch nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. 

Konfuzius

Leider dauerte die Liason zwischen Etiénne und mir nicht lange an. Bereits nach wenigen Monaten nahm unsere harmonische Zweisamkeit ein jähes Ende. Ich musste ins Krankenhaus, und meine Freundin holte die Katze zu sich, um sie während meiner Abwesenheit zu versorgen. Leider lief sie ihr davon und blieb auf ewig verschwunden.

Das bin ich mit Etiénne

Nachdem ich den schmerzlichen Verlust von Etiénne halbwegs überwunden hatte, schickte ich mich an, eine neue Katze zu kaufen. Diesmal sollte es eine richtige, reinrassige Perserkatze sein. Ich wollte mich nicht wieder über´s Ohr hauen lassen und beschloss, diesmal auf wirklich alles zu achten.

Damals führte mein Weg von der Arbeit zur Wohnung mich täglich an einem Tiergeschäft vorbei. Dort saßen zeitweise kleine, drollige Perserkätzchen im Schaufenster. Heutzutage ist so etwas beinahe undenkbar geworden, aber damals war es noch häufiger der Fall, dass Tiergeschäfte auch Hunde- und Katzenwelpen zum Kauf anboten. Eines Tages überkam mich die Neugier, und ich betrat das Geschäft und fragte todesmutig nach, was denn so ein Katzenkind kosten solle. Man sagte mir, dass ein Kätzchen 850,- DM kostet, dafür aber einen Impfpass und einen Stammbaum besäße. Ich fragte mich, welcher Züchter seine Katzenkinder ins Tiergeschäft abgäbe und verließ den Laden eiligst. Für mich stand fest: Ich würde niemals eine Katze aus dem Zoogeschäft kaufen.

Einige Zeit später las ich ein Inserat in der Zeitung. Jemand bot eine junge Perserkatze mit Stammbaum an. Ich rief sofort dort an und erkundigte mich, was es damit auf sich habe. Man eröffnete mir, es sei eine wunderschöne, 8 Monate junge Katze, die abgegeben würde, weil der Ehemann allergisch sei. Ich dachte, es könne kein Fehler sein, ein Tier aus zweiter Hand zu nehmen, zumal die Katze ja noch jung war. Warum lange nach einem Züchter suchen und evtl. sogar noch weit fahren, wenn man in derselben Stadt ein schönes, rassereines Tier bekommen kann? Ich beschloss, das Tier anzuschauen und fuhr noch am gleichen Tag dort hin.

In der Wohnung der Leute war es laut und chaotisch. Der Fernseher dröhnte so laut, dass man ihn schon im Treppenhaus hören konnte. Einige Kinder rannten umher, bewarfen sich schreiend und kreischend mit Gegenständen und schienen völlig außer Kontrolle geraten zu sein. Mittendrin stand die hysterisch kreischende Mutter, der aber niemand Beachtung schenkte. Ich liebe Kinder und habe großes Verständnis dafür, dass sie auch einmal wild und ausgelassen toben müssen. Aber was hier los war, zermürbte mir binnen kurzer Zeit die Nerven.
Der Herr des Hauses ergriff schließlich die Initiative, packte zwei der Kinder grob am Arm und schleuderte sie ins Kinderzimmer. Ein drittes Kind huschte ängstlich hinterher, und zwei weitere wurden kurzerhand durch die Wohnungstür hinaus geschoben. Offensichtlich waren sie dort nur zu Gast. Die Mutter zeterte immer noch, wie ein wütender Wellensittich, die Kinder stimmten in ihrem Zimmer erneut das Geschrei an, und der Vater brüllte die wüstesten Beschimpfungen durch die verschlossene Kinderzimmertür. Im Flur lag unter einer Kommode ein völlig verstörter Hund, der sich bei näherem Hinsehen als Dobermann entpuppte.

Ich stand im Flur und wurde erst einmal ignoriert. Erst nach einer Weile kehrte Ruhe ein, und ich fragte die Frau, die mit Kaffeetasse und Zigarette bewaffnet an mir vorbei in Richtung Fernseher eilen wollte, was denn nun mit der Katze sei. “Datt mit die Katze regelt meine Mann.” sagte sie im Vorbeigehen und ließ mich stehen.
Der besagte Mann kam dann nach einer Weile auch auf mich zu und sagte kurz: “Die Katze muss hier irgendwo sein. Die is total bekloppt, datt Vieh. Ich bin froh, wenn die weg is.”
Die Katze “Minki”, eine schildpatt-farbene Katzenschönheit, hockte hinter dem zusammengefalteten Dobermann unter dem Schränkchen. Als der Mann nach ihr greifen wollte, schoss sie hervor, schlug einige Haken in dem langen, schmalen Flur und versuchte schließlich, panisch an der Wand hoch zu laufen. Sie sprang an die Jacken und Mäntel, die an der Garderobe hingen und wollte sich daran hochziehen, was ihr nicht gelang. Letztendlich verkroch sie sich wieder hinter dem Hund. Ich bat den Mann, mich es alleine versuchen zu lassen, begab mich auf die Knie und angelte mit der Hand nach der Katze. Ich konnte sie hervorziehen und nahm sie vorsichtig hoch auf meinen Arm. Die arme Minki krallte sich an mir fest, und ich konnte spüren, wie ihr Herz raste. Meine Finger suchten sich einen Weg durch die dicken Filzklumpen, aus denen das Fell hauptsächlich bestand, und schließlich ertastete ich an einer Stelle ihre Haut, die voller Krusten zu sein schien. Mir schwante, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte.

Ich war innerlich völlig zwiegespalten. Einerseits wollte ich eine kerngesunde Katze aus einer guten, soliden Zucht, die einen liebenswerten Charakter hat, keine Unarten an den Tag legt und zudem schön aussieht und mich mit ihrem Anblick erfreut. Im Arm hielt ich ein verknubbeltes Etwas mit einer offensichtlich vorhandenen Hautkrankheit. Zudem war das Tier ja völlig verstört und geradezu panisch... ganz anders, als meine geliebte Etiénne...
Andererseits hatte ich Mitleid mit dem zitternden Tier. Ich konnte mir gut vorstellen, dass man in diesem Umfeld als Katze zwangsläufig verrückt werden mußte. Und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass es mir irgendwie schmeichelte, wie sie sich an mich klammerte. Es war, als wenn sie sagen wollte: “Nimm mich bitte mit... Lass mich bloß nicht hier in diesem Irrenhaus!”

“Ja watt denn nu?” fragte der Mann, der sichtlich genervt vor mir stand, mitten in meine verzweifelten Gedanken hinein. Und irgendwie kam aus meinem Munde “Ich nehme die Katze.” Nun kam der zweite Schreck: Der freundliche Herr verschwand im Wohnzimmer und kam mit einem Blatt Papier wieder, welches sich als Ahnentafel der Katze entpuppte. Er legte es vor mich hin und forderte von mir einen Kaufpreis in Höhe von 800,- DM. Diesen Betrag hätte ich gerne und ohne zu zögern für ein Jungtier aus einer guten Zucht gegeben. Aber für eine fast erwachsene Katze, die in einem außerordentlich schlechten Pflegezustand war und zudem noch eine Krankheit zu haben schien, fand ich das etwas unangemessen. Ich versuchte, zu handeln, aber der Mann blieb hart. Er wurde nach einer Weile sogar ziemlich mürrisch und meinte, wenn die Katze so “scheisse” (Sorry, O-Ton des Verkäufers) sei, dann wüsste er nicht, warum ich sie kaufen wolle. Und dann kam das, was ich nun wirklich nicht erwartet hatte: Seine Frau kam hinzu und erzählte mir, sie habe die Katze in genau dem Zoogeschäft gekauft, in dem ich kurz zuvor noch stand und mir ziemlich sicher war, dass ich hier niemals eine Katze kaufen würde. Lange Rede, kurzer Sinn... Ich kaufte die Katze.

Auf dem Heimweg kam ich an einer Tierarztpraxis vorbei, die ich bislang nicht kannte. Ich ging einfach hinein und hatte das Glück, bald an der Reihe zu sein. Als ich gefragt wurde, wie die Katze heißt, wollte ich nicht “Minki” sagen... Der Name war mir schlichtweg zu blöde. Ich antwortete “M... M... Monty!” Ich weiß nicht, wie ich auf diesen Namen gekommen bin... Das ergab sich in Sekundenschnelle. Auch wusste ich nicht, dass Monty eigentlich ein Männername ist. So hatte ich also wieder eine Katzendame mit einem Männernamen... Wie gehabt.
 
Die Tierärztin musste die Katze ganz kahl rasieren. Auch hatte Monty Flöhe und daher ein schlimmes Ekzem auf der Haut, welches sich über den ganzen Körper erstreckte. Sie bekam Spritzen und etwas gegen die Flöhe. Die Ärztin gab mir Tabletten mit, damit die Haut besser würde. Auch bekam ich eine Wurmkur mit, die ich ihr eine Woche später verabreichen sollte.
Ich hatte der Tierärztin die ganze Geschichte erzählt, und sie war sehr wütend über diese Menschen. Und dann erlebte ich etwas Außergewöhnliches, was ich nie vergessen werde: Die Tierärztin berechnete mir nur die Medikamente. Die Rasur, bei der sie etliche Kratzer davon trug, die gründliche Untersuchung und die umfangreiche Beratung hat sie mir nicht berechnet.

Monty war bei mir zuhause wie ausgewechselt. Sie hatte überhaupt keine Angst. Sie gekauft zu haben, habe ich nie bereut. Sie war ein Traum. Nun wurde mir auch bewusst, worin der Unterschied zwischen Persern und anderen Katzen liegt. Monty war wesentlich ruhiger und ausgeglichener, als Etiénne. Sie war zwar bisweilen etwas kapriziös und sehr eifersüchtig, aber ansonsten die Liebenswürdigkeit in Person. Nie hat sie etwas kaputt gemacht oder beschmutzt. Monty war ein Engel.

Montys Fell wuchs schnell wieder nach. Sie entwickelte sich zu einer bildschönen Lady. Meine liebe Monty hatte damals noch ein richtiges Katzengesicht. Zwar sah man, dass es eine richtige Perserkatze war, aber die total platte Nase, die die meisten Perser auch damals schon hatten, hatte sie nicht.

Meine geliebte Monty

Als ich Montys Stammbaum näher betrachtete, stellte ich fest, dass meine Katze aus Tschechien kam. Also hatte der Inhaber des Tiergeschäftes mit seinen Perserbabies auch ein lukratives Geschäft gemacht. Monty war übrigens bereits 2 Jahre alt, als ich sie bekam.

Nach einiger Zeit machte eine Freundin aus Köln mir den Vorschlag, Monty doch Mama werden zu lassen. Sie wollte gerne zwei Babies von Monty haben. Da auch ich gerne eine zweite Katze haben wollte, war mein Entschluss, Monty decken zu lassen, schnell gefasst.

Am nächsten Tag begann ich, mich zu informieren, kaufte einige Katzenfachzeitschriften und telefonierte mit diversen Züchtervereinen. Ich wollte alles richtig machen. Mir waren die Erzählungen des freundlichen Tierarztes noch in Erinnerung. Er hatte sich sehr über die „wilden Züchter“ aufgeregt, die sich an keinerlei Regeln hielten und ihre Zuchttiere geradezu „verheizten“. Ich wollte zwar erst einmal nur einen Wurf mit meiner Katze haben, aber das vernünftig. Also wurde ich dann Mitglied in einem eingetragenen Verein und man registrierte dort für mich den Zwingernamen „Paisley Park“. Auch ließ ich meiner Katze Blut abnehmen, welches in ein Labor geschickt wurde. Dort wurde ermittelt, dass Monty keinerlei ansteckende Krankheiten hatte.

Nun musste ein geeigneter Deckkater gefunden werden. Monty war schon einige Male rollig gewesen. Es war also allerhöchste Zeit. Eines Tages las ich in der Wochenzeitung das Inserat eines Züchters ganz in der Nähe, der Perserkätzchen mit Impfung und Stammbaum anbot. Ich griff mutig zum Telefon, rief dort an und sagte dem freundlichen Herrn am anderen Ende ganz direkt, dass ich nicht an einem Katzenkind interessiert wäre, sondern einen Deckkater suchte. Ich hatte Glück. Der Züchter hatte einen eigenen Kater und war auch bereit, meine Katze zum Decken kommen zu lassen. Ich war glücklich und wahnsinnig aufgeregt. Er bot mir zwei Optionen zur Auswahl an. Ich konnte entweder gleich bei Abholung der Katze eine Deckgebühr zahlen oder später eines der Kätzchen an ihn übergeben. Ich entschied mich für die zweite Variante, da ich ja nicht wissen konnte, ob Monty überhaupt aufnehmen würde.

Als Monty bald darauf wieder rollig wurde, brachte ich sie zu dem Züchter. Der Kater war eine Schönheit. Ich war sehr zufrieden bei dem Gedanken, dass er der Vater meiner ersten Katzenkinder sein würde.
Ich rief jeden Tag dort an, um nach zu fragen, wie es meiner Monty geht und ob sie schon gedeckt worden sei. Leider schien es aber überhaupt nicht zu klappen. Monty saß übel gelaunt unter der Heizung, weigerte sich, hervor zu kommen und würdigte den Kater keines Blickes. Rollig war sie auch nicht mehr. Nach drei Tagen hielt ich es nicht mehr aus. Der Gedanke, dass meine arme Katze unglücklich war, war mir unerträglich, und so einigten wir uns dahingehend, dass ich Monty wieder nach Hause holte. Der Züchter bot mir an, bei der nächsten Rolligkeit den Kater zu mir zu bringen. Das war eine gute Idee.

Kaum war Monty wieder zuhause, rollte sie wieder munter drauf los. Sie war wirklich eine Charakterkatze, die ihren ganz eigenen Kopf hatte. Also rief ich den Züchter an und bat darum, nun den Kater zu mir holen zu dürfen. Am nächsten Morgen kam er und brachte das Prachtstück bei mir vorbei. Dieser Kater war nicht nur schön, sondern auch sauber und unkompliziert. Er streifte kurz durch meine Wohnung, um alles zu erkunden und widmete sich dann meiner Katze. Ich hatte mittlerweile sämtliche Katzenbücher gelesen, die die Aachener Stadtbücherei  besaß und wusste, dass Katzen mehrere Tage lang gedeckt wurden. Aber über das, was Monty und ihr Liebhaber veranstalteten, konnte ich nur staunen. Sie konnten nicht genug voneinander kriegen… Tag und Nacht. Die Hochzeit dauerte vier Tage an. Dann schien Monty ihren Lover nicht mehr zu mögen. Nun war es Zeit für ihn, wieder nach Hause zu gehen. Mein damaliger Freund und ich brachten ihn zurück zum Züchter und hofften auf einen schönen, kunterbunten Wurf.

Als meine Monty zwei Wochen später wieder rollig wurde, waren wir enttäuscht. War sie am Ende gar unfruchtbar? Wieder rief ich den Züchter an und klagte mein Leid. Er tröstete mich und sagte, dass es schon einmal vorkommen könne, dass eine Katze nicht direkt beim ersten Mal aufnimmt.

Also ließ ich mir wieder den liebeshungrigen Kater nach Hause bringen. Wieder verbrachten die beiden einige Tage und Nächte voll wilder Leidenschaft miteinander, und am Ende – oh Jubel – war meine Monty schwanger.

Ich konnte kaum abwarten, „Katzenoma“ zu werden. Ich rechnete mir akribisch aus, innerhalb welchen Zeitraumes meine Babies geboren werden würden, baute zusammen mit meinem Freund eine liebevoll dekorierte Wurfkiste, staffierte sie mit weichen Decken und Bettlaken aus und wurde jeden Tag nervöser. Fast kam ich mir vor, wie einer jener werdenden Väter, die man aus dem Fernsehen kennt… jene, die Ketten rauchend und zitternd vor dem Krankenhaus stehen oder auf dem Flur vor dem Kreißsaal völlig kirre auf und ab laufen.

Ich fing an, meine Monty, mehr als gewöhnlich, zu verhätscheln und zu verwöhnen. Monty nutzte dies auch schamlos aus. Sie wechselte nun mehrmals täglich die bevorzugte Futtersorte, nippte an allem, was ich ihr kredenzte, nur kurz und forderte dann lautstark die sofortige Öffnung einer anderen Dose oder Schale. Da ich ein Mensch bin, der keine Lebensmittel fort wirft, lebten die streunenden Katzen auf den Dächern der umliegenden Häuser in diesen Wochen wie die Könige. Alles, was meine kleine Diva Monty verschmähte, landete in ihren Mägen. Auch besorgte ich mir bei der freundlichen Tierärztin eine Vitamin-Paste und ein homöopathisches Kalzium-Präparat. Die noch ungeborenen Kinderchen sollten doch so gut wie möglich gedeihen.

Monty wurde zusehends runder. Bald glich sie einer Fellkugel auf vier Beinen. Sie wurde immer träger und wackelte behäbig durch die Zimmer, immer hinter mir her. Manchmal, wenn ich zu eilig durch die Wohnung lief, blieb sie stehen und miaute mich erbost an. Das sollte heißen „Lauf nicht so schnell… Ich kann Dir in dieser Geschwindigkeit nicht folgen!“

Irgendwann entdeckte Monty eine neue Delikatesse für sich: Schlagsahne. Sie schlabberte die Sahne eifrig vom Tellerchen und verlangte immer wieder danach. Besorgt rief ich die Tierärztin an. Schließlich hatte ich doch in der Fachlektüre mehrfach gelesen, dass Katzen ausschließlich Wasser trinken sollten. Die Tierärztin beruhigte mich und meinte, ein kleines Portiönchen Sahne am Tag könne nicht schaden, ich solle es aber bitte nicht übertreiben. So wurde aus der Sahne-Orgie ein allabendliches Ritual. Bevor ich mein Abendessen zu mir nahm, bekam Monty ihr Tellerchen mit Sahne. Die wenigen Handgriffe (Schrank auf - Teller raus, Kühlschrank auf – Sahne raus, Sahne auf den Teller – Teller auf den Boden) musste ich im Eilverfahren absolvieren, da Monty aus lauter Gier nach dem köstlichen Getränk so laut schrie, das ich befürchtete, sie könne vor purer Aufregung eine Frühgeburt erleiden. Es war nervenaufreibend.

Einige Zeit zuvor hatte ich, auf Anraten der Tierärztin, einen großen Sack eines teuren, amerikanischen Trockenfutters gekauft. Es war ein Futter speziell für Kitten und trächtige und/oder stillende Mutterkatzen.  Dieses Futter enthalte alles, was eine Katze braucht, sagte sie mir. Allerdings sei es anzuraten, anbei noch eine geringe Menge Nassfutter zu reichen, um sicher zu stellen, dass es der Katze während der Trächtigkeit nicht an Flüssigkeit mangelt. Auch hier erhielt ich gute Tipps, welches Futter gut sei und welches nicht. Monty hatte das Trockenfutter anfangs gierig verschlungen. Es schien besser zu schmecken, als die gängigen Markenprodukte aus dem Supermarkt. Auch fand sie sich nach einer Weile damit ab, dass es ab sofort nur noch gesundes Feuchtfutter gab… nicht, wie anfangs, die lila-farbenen Dosen, die wir alle aus der Fernseh-Werbung kennen. Aber von dem Augenblick an, als sie sichtlich schwanger war, wurde ihr kapriziöses Fressverhalten zu einer komplizierten Aufgabe für mich. Manchmal kam ich mir vor, wie die Kellnerin eines Gourmet-Restaurants, die einen besonders schwierigen Gast bedient. Allerdings zahlte dieser Gast nicht für die erlesenen Häppchen, die sie orderte, und ein Trinkgeld für mich gab es auch nicht. Mein Lohn war eine zufrieden schnurrende, kugelrunde Katze, die abends vor dem Fernseher satt und zufrieden neben mir lag und sich den dicken Bauch streicheln ließ.

Mein Freund und ich stürmten jeden Samstag den Heimtier-Discounter und trugen Unmengen von Katzenfutter hinaus zum Auto. Einmal fragte uns die Kassiererin „Wie viele Katzen haben Sie denn?“ Wir warfen uns verstohlene Blicke zu. Mein Freund trat verlegen von einem Bein auf das andere und schwieg. Ich räusperte mich und antwortete: „Eine.“
Die Kassiererin sagte nichts mehr. Aber die Blicke sprachen Bände. Unterwegs malten wir uns aus, was sie wohl gedacht haben mochte. Mein Freund mutmaßte, dass sie sicherlich jetzt denkt, wir hätten eine riesige Mutanten-Katze, die aufgrund ihres massiven Übergewichts kaum noch laufen könne. Ich hingegen vertrat eher die These, sie könne annehmen, dass wir Hamsterkäufe tätigten, um im Falle eines evtl. bevorstehenden Krieges für alle Fälle gewappnet zu sein.

Eines Tages, es war ungefähr zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, begrüßte meine Monty mich beim Heimkommen an der Haustür laut schreiend und rannte gurrend und lockend vor mir her zu ihrer Wurfkiste. Unbeholfen kletterte sie hinein und fing sogleich an, zu pressen. „Oh, mein Gott!“ schoss es mir durch den Kopf. „Eine Frühgeburt!“ Sogleich griff ich zum Telefon. Die Tierärztin war nicht mehr in ihrer Praxis. Also rief ich den Züchter an, dem der Deckkater gehörte. Dieser beruhigte mich erst einmal und sagte, ich solle abwarten, was geschieht, ganz ruhig bleiben und mich wieder melden, wenn irgendetwas passiert.

Eine ganze Menge passierte, und mein von mir herbeigerufener Freund und ich riefen an diesem Abend noch unzählige Male bei dem Züchter an, der mit engelsgleicher Geduld immer wieder auf uns einredete, die Nerven zu behalten.

Ich will es – entgegen meiner Gewohnheit – kurz machen: Monty gebar an diesem Abend sechs Kitten. Zwei davon waren ganz normal entwickelte, kräftige Katerchen und die anderen vier unfertige Embryonen, die Gott-sei-Dank bei der Geburt schon tot waren.

Es war eine langwierige, schwere Geburt, und wir beide waren mit den Nerven völlig am Ende, als es endlich vorbei war. Vor allen Dingen konnten wir uns nicht erklären, wie diese seltsame Angelegenheit zu erklären sei.

Später erfuhren wir, dass es vorkommen kann, dass eine Katze gedeckt wird und trotz bereits vorhandener Trächtigkeit kurz darauf noch einmal rollig wird. In seltenen Fällen kann es passieren, dass dann, bei erneutem Decken, noch einmal ein Eisprung stattfindet und wieder Kitten gezeugt werden. Sobald die Kitten aus der ersten Deckung voll entwickelt sind, wird automatisch der Geburtsvorgang ausgelöst, und die noch unfertigen weiteren Kitten werden bei der Geburt mit ausgetrieben, ob sie wollen oder nicht. In keinem der unzähligen Katzenbücher hatte ich je so etwas gelesen. Ich war wütend, dass niemand mich auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte.

Nach der Geburt war Monty völlig erschöpft. Wir servierten ihr ihre geliebte Schlagsahne und etwas Vitaminpaste in ihrer Wurfkiste. Beides nahm sie dankbar entgegen. Jedoch weigerte sie sich beharrlich, ihre Babies zu stillen. Sie wollte die beiden Kleinen einfach nicht. Ihr ganzes Bestreben war, möglichst nahe bei mir zu sein, von mir gestreichelt zu werden und auszuruhen. Sie schaute mich immer wieder mit müden Augen an, zwinkerte mir liebevoll zu und schnurrte, während ich über ihr Fell strich. Ihre beiden Söhne derweil quiekten und fiepten und versuchten vehement, an ihre Zitzen zu gelangen. Sie waren hungrig. Monty aber wollte die beiden nicht bei sich haben. Immer wieder stand sie auf und legte sich in eine andere Ecke der Kiste. Wir waren verzweifelt. „Vielleicht hat sie so etwas wie eine Wochenbettdepression…“ mutmaßte ich. Wir wussten es nicht. Also riefen wir schließlich zu nachtschlafender Stunde in einer Tierklinik an und baten darum, mit unserer Katze und den Babies vorbeikommen zu dürfen.

In der Tierklinik erwartete uns ein schlecht gelaunter Tierarzt. Er machte ein Röntgenbild von Montys Bauch, um sicher zu stellen, dass kein weiteres Kitten mehr in ihr war. Da war nichts mehr. Die mitgebrachten, unfertigen, toten Babies betrachtete er nur achselzuckend. Monty bekam eine Spritze. Er wies uns an, am nächsten Tag eine Babyflasche und Aufzuchtmilch zu kaufen und die Kätzchen von Hand aufzuziehen. Am nächsten Tag sollten wir noch einmal wiederkommen… zur Kontrolle. Für diese Leistung verlangte er eine Summe, die uns schlichtweg den Atem anhalten ließ.

Nur um Missverständnissen vorzugreifen, möchte ich erwähnen, dass wir bereit gewesen wären, nahezu jede Summe zu zahlen, wenn jemand uns erklärt hätte, was da geschehen war oder wenn man uns tatsächlich geholfen hätte. Aber nun standen wir da und waren genauso „schlau“ wie vorher. Und der Preis, den wir gezahlt hatten, stand in überhaupt keiner Relation zu dem, was der Tierarzt getan hatte. Keine unserer Fragen wurde uns beantwortet, und was die empfohlene Flaschenfütterung betraf, sagte er uns, wir könnten am nächsten Tag nachmittags noch einmal kommen, denn dann sei eine Assistentin da, die selber schon einmal Katzenbabies mit der Flasche aufgezogen hätte. Prima! – Bis dahin wären unsere Babies wahrscheinlich schon halb tot gewesen.

Also begaben wir uns nach Hause, legten Monty wieder in die Kiste, drückten an ihren Zitzen herum, bis ein Tropfen Milch heraus quoll und legten kurzerhand eines der Babies an. Als es satt war und einschlief, nahmen wir das zweite hungrige Baby und legten es an eine andere Zitze an. Das funktionierte. Allerdings mussten wir Monty die ganze Zeit über festhalten, da sie nicht stillhalten wollte.

Monty tat mir leid. Ich bereute, sie decken gelassen zu haben, und mich quälte ein schlechtes Gewissen. Aber nun waren kleine, hilflose, hungrige Katzenkinder da, und wir wollten sie nicht verhungern lassen.

Am nächsten Tag suchten wir „meine“ Tierärztin auf. Sie war erbost über ihren Kollegen und bestätigte uns darin, dass wir richtig gehandelt hatten. Sie betonte noch einmal, wie wichtig es ist, dass die Kätzchen die sogenannte Kolostralmilch, die Muttermilch der ersten Tage, bekommen. Diese Milch enthält unter anderem wertvolle Antikörper, die dem Neugeborenen helfen, ein stabiles Immunsystem aufzubauen. Die Ärztin riet uns, so weiter zu machen, wie bisher und, falls möglich, auf die Fütterung von Ersatzmilch zu verzichten. Monty bekam noch ein homöopathisches Mittel, kleine Kugeln, die wir ihr zweimal täglich verabreichen sollten. Dann ging es in gewohnter Manier weiter.

Mein Freund, der damals noch Student war und in der Nähe von Köln wohnte, musste nun gezwungenermaßen „Urlaub“ machen und bei mir verweilen, um alle zwei Stunden die immer noch unwillige Monty zum Stillen ihrer Kinder zu nötigen. Damit sie ihre Kätzchen leckte und die Popos sauber machte, rieben wir selbige mit Montys geliebter Vitaminpaste oder mit ein wenig Sahne ein. – Das funktionierte einwandfrei.

Es dauerte ca. 8 Tage, bis Monty ihre Aversion gegen die eigenen Kinder langsam ablegte und immer mehr zur liebevollen, fürsorglichen Mutter wurde. Wir mussten nunmehr nicht mehr länger Hand anlegen, konnten uns ausruhen und voller Wonne beobachten, wie Monty ihre beiden Jungs umsorgte.

Die beiden Katerchen wuchsen schnell, öffneten bald ihre Augen, robbten in der Kiste umher und taten schließlich die ersten, unbeholfenen Schritte, bei denen sie so niedlich aussahen, dass uns beiden bei ihrem Anblick schier das Herz aufging. Ihre kleinen Schwänzchen standen, gerade  wie Antennen, in die Luft, und sie wackelten so herrlich mit dem kleinen, dicken Popo, wenn sie unbeholfen einher taperten. Irgendwie sahen sie aus, als wenn sie unter ihrem Fell eine Pampers trügen. Es war zum schießen!

Unsere beiden Knuffel-Katerchen waren bildschön… die schönsten Kätzchen auf der Welt. Sie hatten herrliche Farben. Eines war blue-smoke mit weiß und das andere creme-smoke mit weiß. Der kleine blue-smoke-farbene hatte einen kugelrunden, blauen Punkt an seinem Kinn. Dieser erinnerte mich an eine Blaubeere. So erhielt der Kleine den Namen „Blueberry“. Der andere war etwas dicker und außerordentlich verfressen. Deshalb erhielt er den persischen Namen „Shekam Shar“, was soviel heisst, wie „dicker Bauch“.

Wir trugen unsere Katzenkinder stolz zur Tierärztin, als sie 4 Wochen alt waren. Schließlich wollten wir wissen, ob sie gesund und groß genug waren. Die Tierärztin war begeistert von den kräftigen Burschen. Wir erhielten viel Lob und unsere Monty und die beiden Jungs jeweils eine Wurmkur. Auch gaben wir Kotproben von den Kitten in der Praxis ab, um sie untersuchen zu lassen. Wir wollten  sicher sein, dass sie keinerlei Darmparasiten beherbergten. Alles war in Ordnung.

Mit 8 Wochen bekamen sie ihre erste Impfung und mit 12 Wochen dann gleich die zweite. Die Stammbäume für die Katerchen erhielten wir auch recht bald und fingen nun langsam an, traurig zu werden, da wir uns von einem Katerchen trennen mussten, da wir dem Katerbesitzer ein Kätzchen als Deckgebühr versprochen hatten. Als Shekam Shar abgeholt wurde, musste ich weinen. Ich war unendlich traurig.

Mittlerweile hatte ich beschlossen, es nicht bei diesem einen Wurf zu belassen. Wir und auch die Tierärztin waren davon überzeugt, dass beim nächsten Mal alles besser laufen würde. Monty war gesund und kräftig und hatte bewiesen, dass sie eine gute Mutter war.

Mein Freund war auch traurig, als Shekam Shar gehen musste, sagte mir aber damals etwas, was ich mir verinnerlicht habe. Er sagte: „Du musst Dich jetzt entscheiden. Entweder willst Du züchten und lernen, Dich von den Babies zu trennen, oder wir geben Geld für Shekam Shar, behalten beide Katerchen und lassen sie kastrieren. Aber dann gibt es keinen weiteren Wurf mehr, denn Du kannst hier kein Dutzend Katzen halten.“

Ich habe mich entschieden. Ich wollte weitermachen mit meiner klitzekleinen Hobbyzucht. Also trocknete ich meine Tränen und beschloss, ab sofort eine richtige Katzenzüchterin zu sein. Mein Wunsch war es, aus dem nächsten Wurf ein hübsches, kleines Mädel zu behalten und damit meine Zucht um ein Tier aus eigener Nachzucht zu erweitern.

Meine liebe Freundin in Köln wartete nach wie vor sehnsüchtig auf ein Kätzchen. Sie und ihr Mann hatten uns schon mehrfach besucht und die beiden Jungs bestaunt. Sie war sehr enttäuscht darüber, dass Monty nur zwei Babies hatte und eines davon quasi schon versprochen war. Aber sie wollte vorerst nur Blueberry nehmen und später noch ein weiteres Kätzchen aus dem zweiten Wurf.

Die Aufzucht der Kitten, insbesondere die horrenden Tierarztkosten, hatte uns beide ein kleines Vermögen gekostet. Zum Glück hatte mein Freund damals als Student einen lukrativen Nebenjob und war sehr fleißig und sparsam. So konnte er mir bei diesem finanziellen Desaster hilfreich unter die Arme greifen.

Als meine Freundin dann anfragte, wann sie das Kätzchen holen könnte, war mein Freund der Meinung, sie müsse uns zumindest einen Teil der Kosten ersetzen. So setzten wir uns zusammen und errechneten die Gesamtsumme der entstandenen Unkosten. Diese teilten wir durch 2. Die daraus resultierende Summe war viel zu hoch. Ich hätte niemals gewagt, meiner Freundin so viel Geld ab zu verlangen. Also beschlossen wir, ihr das Kätzchen zum Freundschaftspreis von 350,- DM zu überlassen, womit nur ein Teil der Kosten abgedeckt worden wäre. Dieser Preis erschien uns fair. Schließlich hatte sie ja mitbekommen, wie viel Arbeit, Zeit und Geld wir investiert hatten.

Als ich meiner Freundin meine Preisvorstellung unterbreitete, war diese auf einmal ganz still. Sie sagte dann, sie wolle noch einmal mit ihrem Mann darüber reden und sich später noch einmal melden.

Am Abend rief ihr Göttergatte an und teilte mir mit, dass es eine Unverschämtheit sei, dass ich Geld für das Kätzchen verlangen würde. „Mit Freunden macht man keine Geschäfte!“ sagte er und äußerte den Verdacht, dass wir uns an ihnen wohl eine goldene Nase verdienen wollten.

Nach diesem Gespräch war ich wie vor den Kopf gestoßen.

Wie konnten die beiden erwarten, dass wir ihnen das Tierchen schenken würden? Davon war nie die Rede gewesen. Wir waren beide sehr enttäuscht und verletzt. Mein Freund rief sodann bei der Lokalzeitung an und gab ein Inserat auf, in dem er Blueberry zum Kauf anbot. Noch am kommenden Wochenende fand Blueberry ein neues Zuhause. Ich hatte gezögert, ihn zu verkaufen und in Erwägung gezogen, ihn meiner Freundin doch lieber zu schenken, da ich ihre Freundschaft nicht verlieren wollte. Aber mein Freund war der Meinung, dass man auf solche Freundschaften verzichten könne. „Sie macht uns auch keine Geschenke, die hunderte von Marken kosten...“ sagte er und blieb hart. Heute sehe ich das genauso. Damals aber bereitete das Ganze mir ein ungutes Gefühl. Die besagte Freundin kaufte übrigens daraufhin ein Kätzchen ohne (!) Stammbaum und Impfpass für 500,- DM bei einer „Züchterin“ in Köln. Ihr Mann konnte es sich auch nicht nehmen lassen, uns anzurufen, um uns darüber in Kenntnis zu setzen. Ich habe daraufhin den Kontakt zu den beiden erst einmal einschlafen lassen. Das war zuviel.

Montys zweiter und letzter Wurf erfolgte im Jahr darauf.

Vorher jedoch hatte ich von Bekannten eine weitere Katze gekauft, „Misou“. Es war eine hübsche Perserdame in black-tabby.

Auch sie sollte Babies haben, und so machte ich mich auf die Suche nach einem Kater. Ich kannte mich mittlerweile mit der Farbgenetik etwas aus und hatte mich in das Foto einer Katze in einer Tierzeitschrift verliebt. Es war eine black-silver-tabby blotched. Solche Katzen wollte ich auch haben. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Kater in black-silver-tabby oder black smoke.

Fündig wurde ich in einer Vereinszeitung. Hier inserierten jede Menge Züchter ihre Deckkater, die auch fremden Katzendamen zur Verfügung standen. Meine Wahl fiel auf einen stattlichen Kater in black smoke, der nicht nur in meinen Augen schön war, sondern auch in denen der Preisrichter. Er trug den Titel „Europa Champion“, „Wow!“ dachte ich, als ich sein Foto sah… „Das ist er!“

Ich rief die stolze Besitzerin an und fragte, ob ich, wenn es so weit wäre, meine Katze zu ihr bringen dürfte. Sie war einverstanden. Als sie die Höhe der Decktaxe nannte, musste ich zwar schlucken, aber ich war einverstanden. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann bringt mich so schnell nichts davon ab. Ich wollte wenigstens ein einziges Baby in black-silver-tabby haben… mit schönen, orangefarbenen Augen.

Bei der Züchterin angekommen führte diese mich in den Keller. Dort lebten die Deckkater in separaten Abteilen bei Nachtbeleuchtung. Meine Katze fand sie hässlich. Aber das war mir egal. Ihre Katzen entsprachen allesamt dem modernen Persertyp und hatten sehr kurze Nasen. Das fand ich auch nicht so schön, aber das ist ja Geschmackssache. Meine Katze wurde zu einem schwarzen Kater in sein Gehege gesteckt. Ich war etwas irritiert. Ich wollte den vermeintlichen Irrtum dann richtig stellen und bat darum, sie zu dem black-smoke-farbenen Kater zu setzen. Dieser sei nicht hier, sondern bei Ihrer Tochter, erwiderte die Züchterin. Ich war etwas ärgerlich. „Dann sagen sie mir, wo Ihre Tochter wohnt, und ich bringe sie da hin“ sagte ich. „Nein“ konterte die Dame „Meine Tochter nimmt keine Katzen zum Fremddecken bei sich auf.“ Ich war enttäuscht. Die nette Züchterin hatte wohl gemerkt, dass ich etwas schüchtern und naiv war und redete in ihrer sehr resoluten Art auf mich ein. Sie sagte, der Kater sei optimal für meine Katze, denn farblich würde das prima passen, der Kater sei erfahren und außerdem ein „Typverbesserer“ (damit meinte sie sicherlich so etwas wie „Nasenverkürzer“) und er trage den Titel „Champion“. Ich war damals, mit Anfang 20, nicht in der Lage, aufzubegehren und gab mich geschlagen. Glücklich war ich darüber aber nicht. Als ich gehen wollte, verlangte sie dann noch von mir, dass ich die Deckgebühr sofort bezahle. Ich hatte gedacht, es sei üblich, diese bei Abholung der Katze zu entrichten. Aber sie wollte sofort ihr Geld. „Nachher sehe ich Sie nie mehr wieder und habe die schäbige Katze hier sitzen“ begründete sie ihre Forderung. Wir hatten nur etwas über 100,- DM dabei. Ich bot ihr an, dies als Anzahlung zu nehmen und den Rest bei Abholung zu zahlen. Aber nein… Sie wollte alles auf einmal, jetzt und sofort. Also ging ich hinaus, wo mein Freund im Auto auf mich wartete. Dieser flippte fast aus, als ich ihm die Story erzählte. „Was?“ brüllte er. „Will die uns verarschen? Du hast deutlich gesagt, dass Du den Black-smoke-Kater willst… Und der ist Europa Champion… Und jetzt sitzt Deine Katze bei einem Kater, der Dir gar nicht gefällt, der nur Champion ist und die gleiche Deckgebühr kostet? – Das mache ich nicht mit… Da gehe ich jetzt rein. Die Katze nehmen wir wieder mit… Jetzt reicht es…“ Er war außer sich vor Wut.

Ich habe damals schon keinen Wert auf irgendwelche Ausstellungstitel gelegt. Aber ich wusste, dass es sehr viel Geld und Mühen kostet, ein Tier bis zum Europa Champion zu bringen. Das war damals der höchste Titel, den es gab. Das schaffte nicht jedes Tier. Der Kater schien also etwas Besonderes zu sein, und das rechtfertigte den besonders hohen Preis. Dass wir nun für einen Champion das gleiche zahlen sollten, erfüllte den Tatbestand der bösartigen Verarschung und machte mich wütend, zumal der Kater mir wirklich überhaupt nicht gefiel. Mein Zuchtziel konnte ich mit ihm nicht erreichen.

Nach längerer Diskussion im Auto fuhren wir zu einer Bank, und mein Freund hob das restliche Geld von seinem Konto ab. Ich zahlte die Deckgebühr, denn ich wollte keinen Ärger mit einer Züchterkollegin, ich wusste auf die Schnelle keinen anderen adäquaten Kater, wir waren den ganzen weiten Weg bis hierher gefahren, und ich wollte einfach keinen Stress. Mein Freund wäre gerne zu der Frau gegangen und hätte ihr die Hölle heiß gemacht. Doch ich hielt ihn davon ab. So blöd war ich damals.

Uns Menschen ist es zwar gelungen, das Raubtier in uns auszuschalten - nicht jedoch den Esel. 

Sir Winston Spencer Churchill

Nach 2 Tagen rief die Züchterin an und meinte, ich könne die Katze wieder abholen. Auf meine Frage hin, ob sie denn nicht mehr rollig sei, sagte sie „Doch. Aber er hat sie schon ein paar Mal gedeckt. Das reicht.“ Auch das fand ich nicht ok, aber andererseits war mir auch nicht wohl bei dem Gedanken, dass meine Katze dort im dunklen Keller saß.

Das Resultat dieses Deckaktes war ein Dreierwurf. Ein blue-tabby Mädel wurde tot geboren, und die beiden schwarzen Kitten, ein Junge und ein Mädchen, hatten beide fürchterliche Knickschwänze. Sie sahen aus, wie ein „Z“. Als ich die Züchterin anrief und ihr kundtat, dass meine Babies Knickschwänze hätten, sagte sie trocken „Ja, das hatten wir bei dem Kater öfters. Den haben wir jetzt auch raus genommen aus der Zucht.“ Danke, liebe Züchterin!

Die beiden schwarzen Babies waren lieb und süß. Ich habe sie trotz ihrer deformierten Schwänze sehr gemocht. Abgegeben haben wir sie gegen eine geringe Schutzgebühr, denn verkaufen kann man so etwas nicht mit gutem Gewissen. Uns war wichtig, dass sie in gute Hände kamen.

Mein Freund hatte mittlerweile die Nase voll von meiner Katzenzucht. Immer nur Ärger, Enttäuschungen und nicht zuletzt diese immensen Kosten hatten in mürbe gemacht. Ich jedoch blieb wacker und wollte mich nicht von meinem Weg abbringen lassen. Ich war mir sicher, dass mich niemand mehr übers Ohr hauen würde. Schließlich lernt man ja aus der eigenen Dummheit.

Montys Wurf wurde wieder von ihrem „Liebhaber der ersten Stunde“ gezeugt. Sie bekam diesmal fünf Babies, wovon eines bald nach der Geburt verstarb. Das war der einzige Kater im Wurf. Ich hatte mir Mädel gewünscht und hatte nun gleich vier Stück auf einen Streich. Ich vermochte gar nicht zu sagen, welches das Schönste von allen war. Sie waren allesamt wunderschön. Behalten habe ich damals keines, denn es waren viele Interessenten da, und am Ende habe ich mir auch das allerletzte Kätzchen noch abschwatzen lassen. Damals war ich traurig darüber, denn ich wusste ja nicht, ob Monty noch einmal ein so hübsches Töchterchen bekommen würde. Hinzu kam, dass der schöne Kater, von dem die herrlichen Kitten stammten, bald darauf verkauft wurde, da der Besitzer die Katzenzucht aufgegeben hatte. Ich versuchte noch mehrmals, Monty decken zu lassen. Aber niemand war je wieder bereit, seinen Kater zu mir zu geben, und Monty ließ sich nach wie vor an einem ihr fremden Ort nicht decken. Sie ist nie wieder Mutter geworden.

Rückblickend bin ich froh, dass es damals so gewesen ist. Monty erkrankte nämlich später schwer. Ihre Nieren arbeiteten nicht mehr richtig. Zwei Jahre lang war ich regelmäßig einmal pro Woche beim Tierarzt, wo sie Infusionen bekam. Auch gab ich ihr homöopathische Tropfen und ein spezielles Diät-Futter. Irgendwann aber war der Tag gekommen, an dem der Tierarzt sagte „Ich kann nichts mehr tun. Ich würde sie jetzt gerne erlösen.“
Dies war ein trauriger Tag für mich. Ich habe den Verlust von Monty nur schwer verkraften können.
Kurz bevor sie eingeschläfert wurde, sagte der Tierarzt jene Worte, die mir heute noch in den Ohren klingen: „Die Nieren fühlen sich an, wie Weintrauben.“ Damals konnte ich damit nichts anfangen. Heute gehe ich davon aus, dass Monty PKD hatte. Die Erbkrankheit PKD war zur damaligen Zeit noch kein Begriff in der Katzenszene. Auch hatte mein Tierarzt nie etwas darüber erwähnt.
Erst viele Jahre später kam das Thema PKD mehr und mehr ins Gespräch. Wir mussten damals weit fahren, um bei einem speziell ausgebildeten, autorisierten Tierarzt eine Ultraschall-Untersuchung durchführen zu lassen. Als 2004 erstmalig ein DNA-Test auf den deutschen Markt kam, war das ein Segen für uns Katzenzüchter. Ich habe damals sogleich alle meine Zuchttiere testen lassen. Ich hatte Glück. Es war kein Träger dieser Genmutation unter ihnen. Aber ich bin mir, mit dem Wissen von heute, fast sicher, dass meine Monty PKD hatte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Niere voller riesiger Zysten sich anfühlt, wie eine Weintraube. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war es eine Fügung des Himmels, dass Monty nicht so viele Nachkommen in die Welt gesetzt hat, denn PKD1 ist autosomal dominant vererblich.

 

Fortsetzung folgt!

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Ein Schriftsteller ohne Katze ist beinahe unvorstellbar. Eigentlich zeugt es von einem komischen Geschmack, weil es fast einfacher wäre mit einer Horde Büffel im Zimmer zu schreiben als mit alleine nur einer Katze; sie bauen Nester in deinen Stapeln von Aufzeichnungen, schlagen ihre Zähne in das Ende deines Stiftes und laufen über Deine Tastatur.
Barbara Holland

Perser mit Nase = “Paisley Park” Cats