Das Immundefizienzsyndrom bei Katzen 1. Welches Virus verursacht "Katzenaids"?
1. Welches Virus verursacht "Katzenaids"? Das "erworbene Immundefizienzsyndrom" (acquired immunodeficiency syndrome = AIDS) steht seit der Entdeckung des humanen Immundefizienzvirus (HIV) im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Eine beispiellose Forschungsaktivität und die Suche nach Tiermodellen setzte ein, um die Ursachen des Immundefizienzsyndroms und Bekämpfungsmöglichkeiten gegen das HIV herauszufinden. Die Resultate sind bisher trotz intensivster Forschungsanstrengungen nicht sehr ermutigend. Bei dem Erreger handelt es sich um ein Lentivirus (lateinisch: lentus= langsam; d.h. es dauert lange von der Infektion bis zur Erkrankung) aus der Familie der Retroviridae. Bei Katzen war mit dem FeLV (Felines Leukämie Virus) ein Retrovirus welches zu einem Immundefizienzsyndrom führt bereits länger bekannt. Wegen der Immundefizienz im späten Stadium der FeLV-Infektion wurde vom FeLV-FAIDS, dem "felinen AIDS" gesprochen. Erst 1983 fand Nils Pedersen in Kalifornien ein Immundefizienzsyndrom bei Katzen, bei denen sich das FeLV nicht nachweisen ließ. Es gelang ihm ein felines Lentivirus zu isolieren, welches in Analogie zu den Lentiviren anderer Spezies FIV (felines Immundefizienzvirus) genannt wurde. Dieses Virus verursacht bei Katzen ebenfalls eine Immundefizienz, nachdem sehr ähnliche Stadien wie bei der HIV-Infektion des Menschen durchlaufen wurden, weshalb die FIV-Infektion in mancher Hinsicht als Tiermodell für die HIV-Infektion dienen kann. Beide Viren, das FIV ebenso wie das FeLV führen also zu einer Immundefizienz. Obwohl daher die umgangssprachliche Bezeichnung "Katzenaids" für die Terminalstadien beider Virusinfektionen zutrifft, scheint sich aus Gründen der näheren Verwandtschaft von FIV und HIV sowie der Übereinstimmungen im Infektionsverlauf, dieser Begriff für das finale Stadium der FIV-Infektion durchzusetzen.
2. Infektionswege und Stadien der Erkrankung Von praktischer Bedeutung ist bei der FIV-Infektion nur die Bißübertragung, weshalb ältere, männliche, freilaufende Katzen am häufigsten betroffen sind. Daher wird auch häufig von "dirty old man disease" gesprochen. Alle anderen theoretisch in Frage kommenden Übertragungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel eine intrauterine, laktogene oder auch venerische Infektion scheinen mehr oder weniger fragwürdige Einzelfallbeschreibungen ohne allgemeingültigen Charakter zu sein. Bei Welpen mit FIV-infizierter Mutter sind zwar laktogen aufgenommene Antikörper nachweisbar, d. h. die Tiere sind serologisch FIV-positiv, die Antikörper scheinen aber nach dem Absetzen wieder zu verschwinden, weil keine Infektion stattgefunden hat. Die Zahlen über die Verbreitung der FIV-Infektion schwanken sehr stark in Abhängigkeit von der Vorselektion des Probenmaterials und der Populationsdichte und liegen in Westeuropa je nach Studie zwischen 3 und 26 %. Nach einer Bißinfektion werden mehrere Phasen durchlaufen. Zunächst kommt es während der Primärphase zur Serokonversion, d. h. zur Produktion
von spezifischen Antikörpern, die dann in kommerziellen Tests nachweisbar sind. In dieser ersten Phase von einigen Wochen kann es zu geringen Störungen des Allgemeinbefindens mit Lymphknotenschwellung kommen. Es
folgt eine meist jahrelange asymptomatische Phase. Für die weiteren Phasen wurde mittlerweile eine Übereinstimmung zu denen bei der HIV-Infektion gefunden, diese Unterteilung soll hier jedoch nicht weiter differenziert werden.
Es kommt aber zu einer sich langsam entwickelnden Immunschwäche welche rezidivierende Erkrankungen von zunehmendem Schweregrad zur Folge hat.
3. Klinische Symptomatik Wie bereits erwähnt verläuft
die Erkrankung meist über Jahre symptomlos. In Übereinstimmung mit der HIV-Infektion nimmt aber die Zahl einer T-Helferzellpopulation stetig ab, bis es schließlich zu klinischen Symptomen kommt. Auch wenn keine strenge
Korrelation besteht, so ist doch der Abfall der sogenannten CD4-T-Helferzellen wie bei der HIV-Infektion der wesentliche hämatologische Parameter, der in etwa mit der klinisch feststellbaren Verschlechterung des
Allgemeinbefindens übereinstimmt. Grundsätzlich kann dann jede Symptomatik auftreten, besonders betroffen sind jedoch die Schleimhäute im Kopfbereich. Ulzerative Veränderungen der Maulhöhle und generalisierte
Lymphknotenschwellungen treten am häufigsten auf. Der typische Patient in der Praxis ist eine ältere, chronisch kranke Katze mit Veränderungen im Bereich der mukokutanen Übergänge. Kennzeichnend für ein Immundefizienzsyndrom
ist das Auftreten opportunistischer Infektionen. Häufig werden die Begriffe sekundäre und opportunistische Infektion im Zusammenhang mit Immundefizienzsyndromen nicht sauber getrennt. Definitionsgemäß ist eine sekundäre
Erkrankung eine, für die das Tier auch ohne Immundefizienz empfänglich ist wie zum Beispiel die FeLV-Infektion. Bei den opportunistischen Infektionen erhöht sich aber die Empfänglichkeit durch die Immundefizienz oder eine
Empfänglichkeit wird überhaupt erst durch die Immundefizienz erreicht. Dies gilt zum Beispiel für Pox- oder Papillomaviren aber auch für Toxoplasmen und verschiedene Pilze. Es muß aber in der Praxis nicht immer bis zum
Auftreten echter opportunistischer Infektionen kommen, da auch schon vorher das Allgemeinbefinden so schlecht sein kann, daß eine Euthanasie gerechtfertigt ist. Die Verteilung der klinisch auftretenden Veränderungen wird in
der Literatur aus verschiedenen Gründen sehr heterogen angegeben. Die folgende Tabelle kann daher nur eine Übersicht über die auftretenden Veränderungen und Symptome geben. Prozentuale Verteilung von FIV-assoziierten Veränderungen im fortgeschritten Stadium der Erkrankung gemäß verschiedener Literaturstellen:
4. Welcher Test ist wann sinnvoll ?
Es werden kommerzielle Testkits angeboten, die auf der Basis eines ELISA`s (Enzyme linked immuno sorbent assay) funktionieren.
Diese Tests weisen nicht das Virus selber nach, sondern spezifische Antikörper. Der Test ist in letzter Zeit wegen
falsch positiver Ergebnisse etwas in Frage gestellt worden und daher muß in wissenschaftlichen Arbeiten ein positives ELISA-Testergebnis durch einen Western blot überprüft werden.
Der Western blot für Antikörper gegen FIV wird nur von wenigen Spezialinstituten durchgeführt und ist für Routineanwendungen wenig
geeignet. Zur absolut sicheren Diagnose ist der Western blot zwar unerläßlich, es sollte aber bei der Kritik am ELISA berücksichtigt
werden, daß es zu einem großen Teil biometrische Gründe sind, die zur einer relativ ungünstigen Quote an falsch positiven
Ergebnissen führen. Es fließen bei der Berechnung die Größen Sensitivität und Spezifität des Testes sowie der Durchseuchungsgrad der
getesteten Katzenpopulation ein. Selbst bei hoher Sensitivität und Spezifität (über 90%), aber einer relativ niedrigen Durchseuchung der
Katzenpopulation, kann rein rechnerisch keine günstige Quote zustande kommen. Nur ein Test, der rechnerisch mit 100 % Sicherheit
arbeitet, kann eine gute Quote erzielen. Für praktische Erwägungen ist der ELISA aber durchaus sinnvoll. Es ist allerdings günstig,
wenn er routinemäßig durchgeführt wird, um technische Probleme wie ungeübte Handhabung oder Überalterung der Substanzen zu
vermeiden. Getestet werden kann im Prinzip jederzeit, bei einer vermuteten Infektion zum Beispiel nach einer Beißerei muß allerdings
einige Wochen gewartet werden, um die Produktion spezifischer Antikörper abzuwarten. Sechs Wochen ist ein sicherer Zeitraum, nach
dem auf alle Fälle Antikörper zu erwarten sind. Im Terminalstadium kann der Test auch wieder negativ werden, da bei Ausbildung der
Immundefizienz unter Umständen nicht mehr genügend Antikörper produziert werden. Der Test kann nützliche Hinweise geben falls es
bei einer Katze zu therapieresistenten, rezidivierenden Erkrankungen kommt, die keine genau zu definierende Ursache haben.
5. Welche Konsequenzen hat ein positives Testergebnis? Wenn das serologische Untersuchungsergebnis bei einer Katze den Befund FIV-positiv erbringt, drängen sich dem Tierbesitzer folgende Fragen besonders häufig auf:
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